Literatur über Nahtod Erfahrungen als kostenloses eBook Geschrieben am Montag, 22. August 2005 von Administrator Jetzt kann ihn sich jeder kostenlos im Internet als eBook herunterladen: den neuen Roman von Christian von Kamp, Tod und Rückkehr, inspiriert durch aktuelle Nahtod-Berichte von Menschen, die dem Tod nahe waren und wieder reanimiert wurden.

Das wissenschaftlich ungeklärte Phänomen der Nahtod-Erfahrungen, das seit dem 19. Jahrhundert mehrfach Gegenstand schöngeistiger Literatur war (u.a. bei Franz Werfel), wird hier Thema eines Buchs über Schuld und Versöhnung.

Der Autor Christian von Kamp hat es sich zur Aufgabe gemacht, seine Romane kostenlos den Lesern zur Verfügung zu stellen. Dazu zählen neben seiner Utopie "Paradision" und der Fortsetzung "Letztschriften" u.a. auch die psychologischen Romane "Parkgespräche" und "Farbige Steine". Auf seine Website http://www.christian-von-kamp.de finden sich die eBooks als pdf-Dateien zum Download.

Leseprobe:

In diesem Moment, als er das dachte, fühlte er ein Kribbeln in seinem Bauch. Und jetzt sah er, daß er geradewegs auf einen Baum zufuhr. „Ganz schön breiter Stamm, sicher eine Eiche“, dachte er und nahm diesen seinen Gedanken mit Verwunderung zur Kenntnis. Auf einmal lief vor seinen Augen alles in Zeitlupe ab. Der Wagen rollte langsam auf den Baum zu – oder bewegte dieser sich umgekehrt in seine Richtung? Zum Ausweichen blieb keine Zeit. Ohne Angst, ohne Panik konstatierte er diesen Sachverhalt. Er dachte sogar, heiter und gelassen: „Wie es kommt, ist es richtig.“
Den Aufprall spürte er nicht.
„Willkommen, Reinhold“, hörte er auf einmal eine ihm bekannte und vertraute Stimme. „Willkommen bei uns.“
Wo befand er sich? War da nicht eben diese Eiche vor ihm gewesen?
„Öffne deine Augen, und sieh.“
Die Stimme hatte er schon bei den ersten Worten erkannt. Sie gehörte seiner Großmutter Katharina, seiner geliebten Großmutter, die vor drei Jahren gestorben war. Vor ihrem Tod hatten mehrere Schlaganfälle sie gelähmt, und einige Wochen lang hatte sie schwer leiden müssen. Seltsamerweise hatte er keine große Trauer empfunden. Irgendwie hatte sich – vollkommen irrational – in ihm die Überzeugung festgesetzt, ihr ginge es jetzt prächtig.
Dabei war er durchaus kein religiöser Mensch, der an ein Leben nach dem Tod glaubte, oder vielmehr: Er hatte niemals großartig Überlegungen darüber angestellt, sondern sich mehr dem Diesseits und seinen Freuden und Genüssen zugewandt. Das Leben lieben, solange es geht. Und natürlich auch die Liebe lieben, Freundschaft und Gemeinschaft. Dies war ihm, der sich seine Gedanken, durchaus auch eigene und eigenwillige Gedanken machte, schon früh klar geworden: Plumper Egoismus, der nur alles für sich will und nur an sich selbst denkt, kann gar nicht zum Glück führen. Glück ist auf Dauer nur möglich durch die Einbeziehung anderer Menschen. Reinhold nannte es einen „subtilen Egoismus“: einer, der so intelligent ist, auch die Freuden aus der Grenzüberschreitung, der Gemeinschaft mit anderen zu genießen.
„Öffne deine Augen.“
Reinhold öffnete sie – und er sah, daß er schwebte, zwischen den Baumkronen. Unter sich – ja, da erblickte er ein Auto, das gegen einen Baum gefahren war. Schrecklich zusammengequetscht. Das war sein Wagen, erkannte er, seine alte Kiste. Wie kam er aber hier oben hin? War er tot? War das der Zustand des Todes? Und – wer oder was befand sich in dem Wagen? Kaum hatte er sich diese Frage gestellt, fand er sich direkt neben dem Fahrzeug wieder, und durch das zersplitterte Glas der Tür sah er – sich. Sich selbst, eingeklemmt in dem Auto.
Wenn er selbst aber doch blutüberströmt hinter dem Lenkrad steckte, wer war dann er, der Beobachter? War der Wageninsasse sein entseelter Körper, und er selbst die Seele, oder der Geist? Er, der Schwebende, blickte an sich selbst herab, an dem, was ihn nun als „Geist“ ausmachte. Nein, er war nicht körperlos, er sah aus wie zuvor, im Wagen, trug die gleiche Kleidung wie vorher auch, aber er leuchtete, er schien – aus Licht zu bestehen.
Wieder schaute er zu dem anscheinend toten Körper hin. War es schade um den? Nein, in seinem jetzigen Zustand fühlte er sich viel besser als vorher, vor dem Unfall. „Der da“ war ihm fast gleichgültig. Es ging ihm selbst, der ja lebte, gut, so gut wie niemals zuvor. Er fühlte sich leicht und frei. Alles Schwere und Dumpfe und Schmerzhafte war verschwunden. Seine Arthritis im Kniegelenk – er spürte sie nicht mehr.
„Willst du nicht deine Großmutter Katharina begrüßen?“
Die Stimme klang hell hinter ihm. Oder war es in ihm? Er wußte: Keine materiellen Schallwellen hatte er gehört, sondern es war, als hätten sich ihm Gedanken mitgeteilt, ganz klar und unmißverständlich. Sofort sah er sie, seine geliebte Großmutter, die ihn schon als kleinen Jungen auf den Schoß genommen und ihm Märchen und Geschichten erzählt hatte. Sie schwebte neben ihm, und plötzlich war er ihr zugewandt. Sie trug ihr Lieblingskleid, das sie seit undenklichen Zeiten getragen hatte, als sie noch nicht gestorben war, ein buntes Kleid mit vielen Blüten, und ihr Gesicht strahlte selig. Erstaunlich, sie schien um Jahre verjüngt, keine Spur war mehr zu sehen von der Lähmung durch die Schlaganfälle, und alles an ihr leuchtete. Reinholds Hände ergriffen die ihren: Ja, das waren Hände wie aus Fleisch und Blut, die er fassen und fühlen konnte und deren Wärme er spürte, und nicht ein Truggebilde, ein gespenstischen Nichts, durch das man hindurchgreift.
Sie gab ihm einen Kuß auf die Stirn, der ein freudiges Erschauern in ihm auslöste.
„Mein lieber Reinhold, wie froh bin ich, daß du jetzt hier bist. Ich bin gekommen, dich abzuholen und hinüberzugeleiten“, klang ihre Stimme in ihm, durch ihn, um ihn herum.


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