1. Einleitung <br> 1.1 Problemstellung <br> Die documenta, in der Nachkriegszeit begründet durch den Kasseler Akademie-Professor Arnold Bode, entwickelte sich in einem Land, das noch durch den Wiederaufbau und anschließend durch das “Wirtschaftswunder“ gekennzeichnet war, sehr schnell zu einer wichtigen internationalen Institution. Heute gilt die documenta als die größte und bedeutendste Ausstellung zeitgenössischer Kunst in der gesamten Welt. Häufig wird sie aufgrund ihres fünfjährigen Rhythmus’ und der Dauer von genau einhundert Tagen als “Olympiade der Kunst und des Zeitgeistes“, als “Museum der 100 Tage“ oder als “Hochamt der zeitgenössischen Kunst“ tituliert. <p> Fast jede Ausstellung war umstritten und von größeren und kleineren Skandalen begleitet. Auch an der documenta X scheiden sich die Geister. Die Französin Catherine David, künstlerische Leiterin der dX, scheint den Nerv getroffen zu haben. Das weltweite Presseecho reicht von zustimmender Begeisterung bis hin zu totaler Ablehnung. Welche Bedeutung hat die documenta X aber für ihre Heimatstadt Kassel, ehemals im Zonenrandgebiet und heute im Herzen Deutschlands und Europas liegend, allerdings mit dem Ruf kämpfend, die Chancen der Deutschen Einheit verpaßt zu haben. Wie steht es um die von der documenta induzierten ökonomischen Wirkungen für die Region Nordhessen und deren Metropole Kassel. Diese eher regionalökonomischen Fragestellungen werden neben der Untersuchung der Wahrnehmung der dX durch die Besucher und die Untersuchung der Kulturtouristen selbst im Zentrum der Analyse stehen. <p> Dabei ist an erster Stelle der Versuch zu nennen, die stets behaupteten positiven ökonomischen Effekte, welche letztendlich insbesondere der politischen Legitimation von Subventionszahlungen dienten, zumindest in Teilbereichen nachzuweisen. Ausgangspunkt dafür ist die Analyse spezieller und allgemeiner Untersuchungen der Interdependenzen zwischen Kultur und Ökonomie, einem Feld, das erst seit Ende der siebziger bzw. Anfang der achtziger Jahre von Wirtschaftswissenschaftlern entdeckt und aufgegriffen wurde. <p>
1.2 Zielsetzung <br> Die Zielsetzung dieser Arbeit ist es, die Verquickung des ökonomischen Sektors und der Kultur darzustellen, Wirkungen und Interdependenzen aufzuweisen sowie die gesamte Thematik durch ökonomische Kenngrößen zu fundamentieren. Ausgehend von diesem theoretischen Ansatz erfolgt mit Hilfe einer wissenschaftlich-empirischen Analyse der ökonomischen Wirkungen der documenta X, ein Brückenschlag zur Praxis bzw. zur praktischen Anwendung der theoretischen Kenntnisse. Dabei soll die Verbindung von Theorie und Empirie behilflich sein, repräsentative Informationen über Publikumsprofile, Wahrnehmungen und Einstellungen von Kulturbesuchern, Auswirkungen und Veränderungen des Besucherverhaltens, Beweggründe für die Wahl der Beherbergungslokalität etc. besser zu verstehen und Zusammenhänge zu begreifen. <p> Abschließend wird an dieser Stelle noch darauf verwiesen, daß es für den Autor persönlich ein wichtiges Ziel war, daß die Arbeit auch von Nicht-Wirtschaftswissenschaftlern ohne größere Probleme weitestgehend verstanden und nachvollzogen werden kann. Inwieweit dies gelungen ist, muß jeder Leser für sich selbst beurteilen. <p> 1.3 Vorgehensweise <br> Die Arbeit besteht aus einem theoretischen und einem empirischen Hauptteil. Nach der Einleitung erfolgt zur Einstimmung auf die gesamte Thematik sowie zur Verdeutlichung, Definition und Illustration der Institution documenta in Kapitel 2 ein kurzer Rückblick auf vergangene documenten. Dabei steht einerseits die Biographie der Ausstellung an sich und andererseits die zahlenmäßige Entwicklung ökonomischer und nicht ökonomischer Daten im Zentrum der Betrachtung. Im dritten Kapitel wird ein Überblick über die wichtigsten und interessantesten Studien gegeben, die bisher auf nationaler und internationaler Ebene zum Thema “ökonomische Wirkungen der Kultur (-Wirtschaft)“ veröffentlicht wurden. <p> In Abschnitt vier, gleichzeitig letztes Kapitel des theoretischen Parts, widmet sich die Arbeit zweier Fallstudien, den “Wirtschaftlichen Auswirkungen von Kulturangeboten in Bremen“ und den “Auswirkungen der Salzburger Festspiele auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt“. Beide Studien sind, insbesondere im Hinblick auf die Analyse, Bewertung und Einordnung einer kulturellen Großveranstaltung wie der documenta X, sehr anschaulich und informativ. <p> Der zweite Hauptteil der Untersuchung besteht aus einer empirischen Analyse der documenta X auf Grundlage einer eigens durchgeführten repräsentativen Besucherbefragung und gliedert sich in vier Teilbereiche. Schwerpunkte sind die Analyse und Interpretation der Ergebnisse der Besucherbefragung und die Untersuchung der für die Wahl der Beherbergungsalternative maßgebenden Einflußfaktoren. Weitere Kernfragen bilden die von der documenta X induzierten Effekte auf das europäische Tankstellengewerbe und die Analyse von Begleiteffekten in Zusammenhang mit der diesjährigen Kunstausstellung. <p> Abschließend erfolgt in der Schlußbetrachtung zum einen die Zusammenfassung und Einordnung der wichtigsten Ergebnisse und zum anderen ein kurzer Diskurs über Perspektiven und offene Fragen bezüglich der documenta X. |